Schwangerschaft und Geburt sind einschneidende Ereignisse für den weiblichen Körper. Während dieser Zeit treten viele physiologische und anatomische Veränderungen auf. Die Rückbildung bezieht sich auf den Prozess, bei dem der Körper nach der Geburt wieder in seinen ursprünglichen Zustand zurückkehrt. Dies beinhaltet gezielte Übungen und Therapien, um den Beckenboden, den Bauch und andere betroffene Bereiche zu stärken.

Rektusdiastase nach der Geburt: Anzeichen, Selbsttest und Übungen

Rektusdiastase nach der Geburt: Anzeichen und Selbsttest

Was ist Rektusdiastase und wie erkenne ich sie?

Eine Rektusdiastase bezeichnet das Auseinanderweichen der beiden Muskelstränge des geraden Bauchmuskels, des M. rectus abdominis [1]. Das Bindegewebe zwischen diesen beiden Muskelbäuchen – die Linea Alba – ist dabei gedehnt und geschwächt, weshalb sie die geraden Bauchmuskeln nicht mehr an Ort und Stelle halten kann. Die tritt in Kombination mit einer generellen Schwäche der vorderen Bauchwand auf. [2] In einer Schwangerschaft weichen die geraden Bauchmuskeln auseinander, um Platz für das wachsende Baby zu machen. Nach der Geburt sollte sich der Abstand wieder verkleinern, aber Rückbildung braucht Zeit. Es ist auch von Frau zu Frau unterschiedlich, wie lange die Rückbildung dauert. Bei manchen Frauen bildet sich die Diastase aber nicht von selbst zurück, der Abstand zwischen den Bauchmuskeln bleibt  und der Bauch ist weich.

Auch Männer oder Frauen, die keine Kinder geboren haben, können eine Diastase haben. Die Dehnung des Bindegewebes kommt hier oft von einer Gewichtszunahme und einer Ansammlung von Bauchfett. Es können aber auch andere Faktoren bei der Entstehung eine Rolle spielen, wie z.B. immer wieder Druckerhöhung im Bauchraum durch Verstopfung.


Was sind die Anzeichen einer Rektusdiastase?

Eine Rektusdiastase kann sich auf viele verschiedene Arten äußern. Meistens merken betroffene Frauen und Männer folgende Anzeichen:

  • ein dauerhaft vorgewölbter Bauch (hier geht es nicht nur um die überschüssige, durch die Schwangerschaft gedehnte Haut)
  • ein deutlich größerer Bauch nach dem Essen oder gegen Abend
  • Rückenschmerzen, v.a. im Bereich der Lendenwirbelsäule
  • das Gefühl einer instabilen Körpermitte
  • der Bauch wölbt sich bei Belastung (z.B. husten, sit-ups) in der Mitte nach außen oder zieht sich ein
  • Probleme mit der Verdauung / Verstopfung
  • Schmerzen bei Bauchmuskelübungen
  • tastbarer „Spalt“ zwischen den Bauchmuskeln
  • Symptome am / mit dem Beckenboden
  • ein in seinem Aussehen veränderter Bauchnabel

Wie kann ich eine Rektusdiastase selbst testen?

Du kannst dir selbst einen ersten Eindruck verschaffen, ob bei dir eine Rektusdiastase vorliegt. Bedenke, dass es dabei nicht nur um die Breite der Rektusdiastase, sondern vor allem um die physiologisch vorgesehen Funktion deiner Körpermitte geht. Weiter unten kannst du es dir im Video angucken.

Im frühen Wochenbett empfehle ich dir, den Test nicht zu machen. Gib deinem Körper zunächst ein paar Wochen Zeit, um sich von der Geburt zu erholen. Wichtig ist auch, dass du nicht täglich testest – das ist wie tägliches Wiegen nicht nötig, nicht aussagekräftig und frustriert am Ende nur. Taste deine Bauchmitte einmal, mache Übungen und taste ein paar Wochen später wieder.

Damit du den Selbsttest durchführen kannst, brauchst du nichts weiter als eine feste Unterlage, auf die du dich legen kannst.

Lege dich in Rückenlage auf den Boden und stelle die Beine an. Hebe den Kopf und beobachte deinen Bauch: gibt es eine Wölbung nach außen (doming), zieht deine Bauchdecke in der Mitte nach innen, sieht er irgendwie schräg aus?  Dies wären Anzeichen, dass die Sehnenplatte keine Spannung bzw. zu wenig Spannung hat.

Lege den Kopf wieder ab. Nimm beide Hände, stelle sie senkrecht auf, in der Mitte des Bauches, auf Höhe des Nabels. Gib ein wenig Druck ins Gewebe. Kannst du die Ränder der geraden Bauchmuskulatur tasten? Wenn ja, wie weit sind sie voneinander entfernt, 2 Finger breit und mehr? Wenn du sie nicht tasten, kannst, hebe den Kopf etwas an. In der Regel nähern sie sich dann an und du kannst sie beim Ablegen des Kopfes mit den Fingern verfolgen. Führe dies auch oberhalb des Bauchnabels – zwischen Brustbein und Nabel-  und unterhalb zwischen Nabel und Schambein durch. Notiere die Ergebnisse.

Im nächsten Schritt geht es darum, die Beschaffenheit der Linea Alba zu beurteilen. Soll nicht weich und instabil sein. Du musst an den gleichen drei Stellen wie gerade eben auch. Dieses Mal nutzt du nur einen Finger, um den Zustand des Bindegewebes zu beurteilen. Wie fühlt es sich an, wenn du mit deinem nun sanft in deinen Bauch „piekst“? Wie tief kannst du deinen Finger in deinen Bauch hineindrücken? Optimalerweise ist die Sehnenplatte so fest, dass du deinen Finger kaum hineindrücken kannst. Wenn du in deinem Bauch ein Pulsieren spürst, ist das ein Hinweis darauf, dass deine Linea Alba sehr weich und geschwächt ist. Achte darauf, dass du beim Tasten nicht zu fest drückst.

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Wie stabilisiert man die Rektusdiastase nach der Geburt?

Eine Rektusdiastase kann sehr gut ohne Operation behandelt werden. In schweren Fällen, die sich auch durch gezieltes, regelmäßiges Training nicht verbessern, kann eine OP angeraten werden.

Unser bester Freund, wenn es um die Behandlung einer Rektusdiastase geht, ist der Muskel transversus abdominis (querer Bauchmuskel), der im Zusammenspiel mit der Rektusscheide den geraden Bauchmuskel stützt und ihn so in seinem Verlauf sichert. Er setzt an den Innenseiten der unteren Rippen am Rücken sowie an den Oberkanten der Darmbeinschaufeln am Becken an und zieht dann quer einmal um den ganzen Rumpf herum bis nach vorne und setzt an der Linea Alba an. Er wirkt bei der Ausatmung und bei der sog. Bauchpresse – also der gleichzeitigen Anspannung von Bauch-, Beckenbodenmuskeln und Zwerchfell zur Stabilisierung – beteiligt.

Welche Übungen helfen bei der Rückbildung?

Du kannst bereits kurz nach der Geburt beginnen, sanfte Übungen zu machen, um die Rückbildung zu fördern. Sanft heißt: gezielte Atemübungen, zum Beispiel diese:

Lege dich auf den Rücken, stelle die Beine an, wenn du möchtest. Schließe bei Bedarf deine Augen und lasse den Atem fließen. Nimm erstmal wahr wie du atmest, ohne zu bewerten und zu lenken.

Atmung in Rückenlage

Nach einigen Atemzügen beginnst du, deine Atmung zu vertiefen. Die Luft strömt beim Einatmen ein, weitet deinen Brustkorb nach vorne oben und zur Seite und weitet sanft deinen Bauchraum. ausatmend wird zunächst dein Bauch wieder flacher, dann wird dein Brustkorb kleiner und am Ende der Ausatmung kommt wieder der Einatemreflex. Lass es geschehen – es passiert passiv – forciere es nicht und gibt keinen bewussten Druck rein. Wiederhole dies für mindestens 10 Atemzüge.

Nun beginnst du im Zusammenspiel mit deiner Atmung deiner Atmung, sanft deine Rumpfmuskeln mitzunehmen: einatmend lässt du locker, lässt Brustkorb und Bauch weiten. Mit der Ausatmung ziehst du deinen Bauch sanft ein, ziehst auch deinen Beckenboden nach innen oben. Mit der nächsten Einatmung lässt du wieder los. Wiederhole das insgesamt 10 Mal und beachte, dass es ein sanftes (!!!) Verstärken der natürlichen Atembewegung ist.

Außerdem hilft es, das Alltagsverhalten zu beobachten und anzupassen. Denke zunächst daran, dich immer über die Seite hinzulegen und wieder aufzurichten. Wenn du dein Baby hoch hebst, wird deine Rektusdiastase stabilisiert, indem du wieder oben erklärt über die Ausatmung deine Grundspannung aufbaust. Hebe und trage nicht schwer in den ersten Wochen nach der Geburt.

Wie wichtig ist das Stabilisieren der Rektusdiastase?

Es ist enorm wichtig, die Rektusdiastase zu stabilisieren, weil sie zu Schmerzen oder Beschwerden führen kann. Diese Beschwerden sind manchmal sehr deutlich (wie bspw. Rückenschmerzen nach dem Tragen des Babys), manchmal aber auch diffus. Die gelockerte Verbindung zwischen den Bauchmuskeln sollte unbedingt gestärkt werden, um den Rumpf als Ganzes zu stabilisieren und das Risiko langfristiger Beschwerden zu verringern. Denn der Rumpf ist stark beansprucht, er überträgt alle Kräfte im Körper.

Dass dein Bauch länger schwanger aussieht ist natürlich ein optisches Problem, was auch psychische Probleme verursachen kann. Das Ziel der Behandlung ist jedoch nicht vorrangig die Optik zu verbessern und den „Spalt klein zu machen“, sondern als Ganzes die Bauchmuskeln zu stärken und ihre Funktionalität wiederherzustellen.

Was sollte ich beim Training beachten?

Du solltest beim Training beachten, dass du nicht zu schnell zu viel willst. Erstmal muss die Basis geschaffen werden, nämlich das Wiedererlernen der richtigen Grundspannung der tiefen Bauchmuskeln. Erst danach kannst du beginnen, „klassische“ Bauchmuskelübungen in dein Training einzubauen. 

Ich hatte im Personal Training schon mehrmals Frauen, die zu früh zu viel im Training gemacht haben. Eine hatte zwar ihren „Bauchspalt“ wie sie sagte zusammen bekommen (es war ca. 1 cm Platz zwischen den Bauchmuskelsträngen), aber das Bindegewebe war so weich, dass die gesamte Linea Alba eingezogen war. Andere haben die Bauchspannung falsch erarbeitet, zu viel Druck über die schrägen Bauchmuskeln gegeben und irgendwann hat sich dann der Beckenboden gemeldet. Viele dachten, sie sind mit der Stabilisierung der Rektusdiastase auf einem guten Weg. 

Deshalb finde ich es auch so wichtig, Frauen postnatal eng zu begleiten und ihnen möglichst im 1:1 beizubringen, wie alles wieder richtig funktioniert. Der Körper einer Frau leistet Großes mit so einer Schwangerschaft. Wenn man frühzeitig nach der Geburt sanft mit den Basics beginnt, ist der Weg oft leichter.

Wann sollte ich einen Arzt aufsuchen?

Du solltest bei folgenden zwei Punkten auf jeden Fall einen Arzt aufsuchen:

1) Es besteht der Verdacht einer Hernie, also einer echten Lücke in der Linea Alba. Hier sollte abgeklärt werden, ob es eine Einklemmung der Organe gibt, denn dann ist eine OP absolut angezeigt.

2) Deine Rektusdiastase bessert trotz regelmäßigem, richtigen Training nicht.

Ansonst reicht es aus, wenn du spezialisierte Physiotherapeutinnen und Trainerinnen aufsuchst, um deine Rektusdiastase zu testen. Dann werden dir auch Schritte zur Behandlung aufgezeigt.

Du kannst in über meine Terminbuchung direkt einen Termin für deinen Bauch-Check buchen. Ich nehme mir dann eine Stunde Zeit, nach der Anamnese deinen Bauch zu beurteilen und zeige dir deine Behandlungsoptionen auf.

Was sind die häufigsten Missverständnisse über Rektusdiastase?

Irgendwann kann man sie nicht mehr heilen

Es gibt den Irrglauben, dass man 6 Monate nach der Geburt nichts mehr machen kann. Das ist Quatsch. Denk daran, dass es nie zu spät ist, mit dem Training zu beginnen, wenn du eine Rektusdiastase hast.

Weiterer Kinderwunsch

Ein weiterer Irrtum ist, zunächst abzuwarten, weitere Kinder zu bekommen und die Rektusdiastase erst nach abgeschlossener Familienplanung zu behandeln. Besser wäre es, die Diastase gleich anzugehen. Damit verringert sich das Risiko von Rückenschmerzen während der nächsten Schwangerschaft, die Gebärmutter wird besser stabilisiert, was zu einer besseren Kindslage zur Entbindung führt und während der Geburt kann man mit der bewussten Ansteuerung der tiefen Bauchmuskeln beim Schieben in der finalen Phase der Geburt unterstützen.

Die Verbindung zu den Bauchmuskeln ist „getrennt“

Immer wieder ist zu lesen, wenn es darum geht, die Rektusdiastase zu erkennen, dass Frauen einen „Spalt“ oder eine „Lücke zwischen den geraden Bauchmuskeln“ haben. Das ist faktisch einfach falsch. Die Stränge des geraden Bauchmuskels sind durch die Linea Alba noch verbunden, aber dies ist schwaches Bindegewebe und nicht straff.

Eine Rektusdiastase gibt es nur am Nabel

Auch das ist ein Irrtum. Die Rektusdiastase nicht zwingend nur am Nabel auf, sie kann im ganzen Verlauf der Linea Alba auftreten – unterhalb des Bauchnabels, oberhalb oder komplett.

Zusammenfassung

Der Selbsttest ist ein erster Schritt, eine Rektusdiastase erkennen zu können. Anschließend solltest du dir professionelle Hilfe suchen, die dich im 1:1 begleitet. Jede Frau ist anders, jede Diastase verhält sich anders und da ist es wichtig zu schauen, was für dich passt. Du hast keine „Spalte im Bauch“, dein Bauch ist nicht „offen“ (alles schon gehört…), sondern dein Bindegewebe ist geschwächt. Mit gezielten Übungen kann es sich gut regenerieren.

Wenn du nun herausgefunden hast, dass du eine Rektusdiastase hast, melde dich bei mir. Vereinbare einen Termin zum Bauch-Check, bei dem ich eine ausführliche Anamnese machen, deinen Bauch beurteile und dir Behandlungsoptionen aufzeige. Du entscheidest dann, welchen Weg du gehen willst.

Ich freue mich, von dir zu hören.

Deine Carina

Levator-Abriss – die kaum bekannte Geburtsverletzung

Levator-Avulsion

Du hörst diesen Begriff Levator Avulsion heute zum ersten Mal? Kein Problem, ich werde dir alles Wichtige darüber in diesem Blogartikel erklären.

Was ist eine Levator Ani Avulsion?

Definition Levator Ani

Der sog. Levator Ani (=Afterheber) ist unser innerster Beckenbodenmuskel. Er ist kleidet unser Becken innen wie eine Schale aus. Er setzt vorne an den Schambeinen an und zieht in mehreren Muskelsträngen nach hinten zu Kreuz- und Steißbein. Er hat eine „schräg nach hinten-unten gewölbte unvollständige Trichterform“ [1].

Levator Ani

B

Wie du siehst, hat der Levator eine etwa fächerförmige Form, die durch seine drei verschiedenen Faserzüge entsteht: der Musculus puborectalis, der M. pubococcygeus und der M. iliococcygeus. Diese Faserzüge lassen in der Mitte das sog. Levator-Tor (Hiatus levatorius) frei. Hier treten die Harnröhre und die Vagina durch die Beckenbodenmuskeln hindurch.

Funktion des Levators

Der Levator stützt und hält die Organe des kleinen Beckens – Harnröhre, Vagina und Enddarm an ihrer Stelle. Außerdem unterstützt er die Stuhlkontinenz und trägt zur Funktion der Bauchpresse bei. Zudem hebt der Levator den After beim Stuhlgang an und stellt sich etwas steiler. So kann der Darminhalt leichter entleert werden.

Wie entsteht eine Avulsion?

Ein Abriss des Levators entsteht meist durch eine vaginale Geburt. Beim Durchtritt des Köpfchens des Babys durch den Beckenboden wird dieser massiv überdehnt – über das Dreifache seiner normalen Länge! [2] Gerade der vordere Bereich des Levator-Tors wird stark gedehnt und kann dann an der Symphyse abreißen. [3] Er kann einseitig abreißen – der Anteil auf der anderen Seite bleibt intakt – oder auf beiden Seiten.

Bei durchschnittlich 22% der Gebärenden kommt es zu einer LA [4].

Levator-Avulsion (Copyright: Carina Gerlach)

Risikofaktoren

In den letzten Jahren wurden viele Studien durchgeführt, um herauszufinden, welche Risikofaktoren für eine LA es gibt. Eine aktuelle Metaanalyse vom Mai 2024 [4] fasst die Studienergebnisse/Risikofaktoren wie folgt zusammen:

  • Zangengeburten
  • Saugglocken- Geburt
  • Verletzung des Analschließmuskels unter der Geburt
  • Alter der Mutter bei Geburt

Bei einer Zangengeburt im Vergleich zu einer spontanen Vaginalgeburt ohne Intervention ist das Risiko einer LA um das Sechsfache erhöht, bei einer Saugglockengeburt um das Doppelte!

Weitere Risikofaktoren sind:

  • längere Austreibungsphase = letzte Phase der Geburt
  • Gewicht des Babys über 4000 g
  • größerer Kopfumfang des Babys
  • Einsatz des Kristeller-Handgriffs [5]

Folgen eines Abrisses

Ist der Levator vorne am Schambein auf einer oder beiden Seiten abgerissen, beeinträchtigt das die Stabilität des Beckenbodens enorm.  Insbesondere für die Stützung von Blase und Gebärmutter ist dies nachteilig. Je größer die Öffnung des Levator-Tors (der Hiastus), desto schlechter ist die Unterstützung der Organe [3].

Symptome einer Levatoravulsion

Woher weiß ich, dass ich einen Abriss habe – diese Frage begegnet mir häufig, wenn ich mit Frauen darüber spreche.

Symptome können ähnlich einer Organsenkung sein:

  • Schweregefühl im Bereich der Vagina – manche Frauen sagen regelrecht, sie haben das Gefühl, dass ihnen ihre „Organe rausfallen“
  • Urininkontinenz
  • Schwierigkeiten, den Beckenboden zu aktiveren
  • das Gefühl, keinen Zugriff auf den Beckenboden zu haben
  • Gefühl einer geweiteten Vagina, insbesondere beim Sex

Solltest du eines oder mehrere dieser Symptome haben, geh zu einem/einer spezialisierten Gyn und lasse dich untersuchen. Dies gilt insgesamt, wenn du Symptome des Beckenbodenmuskels hast – trau dich und hole dir Hilfe.

Wie wird Levator Avulsion diagnostiziert?

In der Regel stellt man die Diagnose LA über einen 3D- Ultraschall. Der Ultraschallkopf wird dabei außen auf den Damm aufgesetzt, damit die Beckenboden-Muskulatur gut sichtbar wird. Ein MRT kann auch zur Diagnostik genutzt werden, wird in der Praxis aber eher selten eingesetzt.

Erfahrene Beckenbodentherapeut*innen oder Ärzt*innen können einen Abriss auch bei einer vaginalen Untersuchung tasten.

Trotzdem muss man sagen, dass eine LA leider oft unerkannt bleibt. 

Was sind die Behandlungsmöglichkeiten für Levator Ani Avulsion?

Heilungsprozess und Rehabilitation

Grundsätzlich kann man sagen, dass ein abgerissener Muskel bzw. eine Sehne sich immer in Richtung seines Ursprungs zurückzieht. Der Levator reißt vorne am Schambein ab und zieht sich dann nach hinten Richtung Steißbein zurück.

Die aktuelle Studienlage über den Prozess der Rehabilitation ist nicht eindeutig. Eine randomisierte Studie, bei der Frauen mit vollständiger LA in eine Trainingsgruppe mit einmal wöchentlich Beckenboden-Kurs und tägliches Training zu Hause und in eine Kontrollgruppe (keine Intervention) eingeteilt wurden, zeigte, dass sich in beiden Gruppen die Zahl der Frauen mit LA reduzierte. Der Unterschied zwischen den Gruppen war statistisch nicht signifikant [6]. Dies lässt darauf schließen, dass es bei einigen Frauen (in dieser Studie 39%) zu einer natürlichen Remission der LA kommen kann.

Außerdem wird diskutiert, ob es einen Zusammenhang zwischen dem Vorliegen einer Levatoravulsion und einer Organsenkung gibt. Eine Überischtsarbeit aus 2022 versuchte dies zu beurteilen. Insgesamt kommen die Autor*innen zu dem Schluss, dass die Qualität der vorliegenden Daten (aus 12 betrachteten Studien mit > 2500 Frauen) niedrig bis moderat ist und weitere Forschung benötigt wird. Sie kommen auf Basis dieser Daten zu dem Fazit, dass eine LA nicht als Risikofaktor für das Wiederauftreten einer Organsenkung gilt [7]. Eine prospektive Längsschnittstudie aus dem Jahr 2020, die über 400 Frauen 5-10 Jahre nach ihrer ersten Geburt und dann jährlich untersuchte, ergab im Gegensatz dazu, dass Organsenkungen statistisch signifikant mit einer LA assoziiert waren. Die Autor*innen ziehen das Fazit, dass das mit dem vergrößerten Hiatus und der schwächeren Beckenbodenmuskulatur zu tun hat. [8]

Mir erscheint dieser Zusammenhang auch logisch: ein verletzter, gar abgerissener Muskel kann weniger Kraft aufbringen als ein intakter Muskel. Betrachtet man den Hintergrund, dass der Levator – der innerste Beckenbodenmuskel – eben auch dafür verantwortlich ist, die inneren Organe zu stützen – scheint es nicht abwegig, dass ein Abriss dieses Muskels zu einer Organsenkung führen kann. Wissenschaftlich abschließend bewiesen ist dies aber noch nicht.

Übungen zur Stärkung des Beckenbodens

Trotzdem solltest du jetzt nicht den Kopf in den Sand stecken, wenn du betroffen bist. 🙂

Ein individuelles Training des Beckenbodens hilft natürlich trotzdem, eine gewissen Grundstabilität wieder aufzubauen. Dies kannst du zunächst – auf Verordnung eines Gyns – in der Physiotherapie bei einer spezialisierten AG GGUP Therapeutin tun. Anschließend kannst du dein Training selbstständig zu Hause oder mit mir im Personal Training weiterführen. Wir können schauen, wo du stehst und wo du hin willst und ich gebe mein Bestes dafür, dass es wieder möglich ist.

Beginne dein Beckenbodentraining mit sanften Übungen und Rücken- oder Bauchlage. Die folge kannst du sehr gut auch schon im Wochenbett absolvieren:

Pessare

Ein Pessar – der „Sport-BH für untenrum“ wird vaginal eingeführt und stützt deine Blase, Vagina und Enddarm von innen. Es kann helfen, die Symptomatik deiner LA zu reduzieren. Auch wenn manche Frauenärzt*innen noch heute behaupten, Pessare seien nur etwas für ältere Frauen, stimmt das so nicht! Lass dich nicht verunsichern. Es gibt heutzutage sogar schon Pessare, die man früh nach der Geburt tragen kann. Lass dich gerne von einer kompetenten, spezialisierten Physio und/oder Gyn dazu beraten.

Chirurgische Interventionen

Es gibt Versuche, den Levator-Abriss operativ wieder anzunähen – ähnlich wie man es bei einer Achillessehnen-Ruptur macht. Der Gedanke ist, die Aufhängung des Muskels in der Operation an der Hinterseite der Schambeine zu rekonstruieren und den Levatorschaden so zu verbessern. 

Das Deutsche Ärzteblatt schreibt dazu: „Bis heute sind nur wenige chirurgische Verfahren zur Korrektur von Levator-Avulsionen publiziert worden. So gab es in Australien den Versuch, transvaginal den Muskel mittels eines synthetischen Netzstreifens am Ramus inferior ossis pubis zu fixieren. Die objektiven Ergebnisse waren jedoch eher ernüchternd. Deutsche Forscher haben unlängst eine eigene, ebenfalls transvaginale Operationsstrategie entwickelt.“ [5]

Stand heute gibt es also die Idee, mit einer Operation den Abriss zu heilen, aber keine gesicherte Methode, die routinemäßig angewandt werden könnte. Dies hat nicht zuletzt damit zu tun, dass der Levator von außen schwer zugänglich ist.

Wie kann man das Risiko von Levator Ani Avulsion minimieren?

Wie du siehst, sind die therapeutischen Maßnahmen für eine Avulsion aktuell begrenzt. Umso wichtiger scheint es, in der Geburtshilfe eine LA möglichst zu verhindern.

Aufklärung und Vorbereitung auf die Geburt

Vielen Frauen sind die Risiken natürlicher Geburten für ihren eigenen Körper nicht so gut bewusst – waren sie mir in meiner ersten Schwangerschaft übrigens auch nicht. Deshalb gehört es für mich unabdingbar dazu, Frauen umfassend aufzuklären und auf die Geburt vorzubereiten. Nur so kann man informierte Entscheidungen treffen. Es gibt z.B. den URCHOICE-Rechner, der wertneutral darstellt, wie hoch das individuelle Risiko einer Frau für Beckenbodenschäden durch Schwangerschaft und Geburt ist. 

Richtige Techniken während der Geburt

Meist wird Frauen bei vaginalen Geburten gesagt, sie sollen pressen, damit das Kind geboren werden kann. Mit schieben wäre aber die bessere Option und wird heutzutage immer mehr angeleitet. Doch was ist der Unterschied?!

Beim Pressen wird die Luft angehalten , dies führt zum sog. Valsalva-Manöver. Dabei erhöht sich der intraabdominelle Druck und der Beckenboden aktiviert mit. Obwohl er eigentlich entspannen sollte, damit er weiter gedehnt werden kann und das Baby gut daran vorbei gleiten kann. So kann es zu Geburtsverletzungen oder zur Schädigung der Beckenbodenmuskulatur kommen.

Beim schieben unterstützt du den Weg des Babys mit der Atmung.  Du als Frau kannst dem Impuls zu schieben nachgeben und wirst nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt x angehalten, zu pressen. Dies kann den Levator schützen.

Fazit

Eine Levatoravulsion ist eine Geburtsverletzung, die häufig übersehen oder sehr spät diagnostiziert wird.  Frauen sollten meiner Meinung nach gut auf ihren Körper hören nach der Geburt. Falls einer der o.g. Risikofaktoren unter der Geburt bestand und Symptome wie Inkontinenz auf treten, empfehle ich, frühzeitig eine*n spezialisierte*n Gyn aufzusuchen.

Bist du von einer Levatoravulsion betroffen und benötigst Begleitung in deinem Aufbautraining? Kontaktiere mich gerne und wir schauen, wie wir zusammenarbeiten. Ich freue mich von dir zu hören.

Deine Carina


Quellen:

[1] Tittel, Kurt: Beschreibende und funktionelle Anatomie des Menschen, 14. Auflage, München, Urban & Fischer Verlag, 2003, S. 175.

[2] Lien KC, Mooney B, DeLancey JO, Ashton-Miller JA. Levator ani muscle stretch induced by simulated vaginal birth. Obstet Gynecol. 2004 Jan;103(1):31-40. doi: 10.1097/01.AOG.0000109207.22354.65. PMID: 14704241; PMCID: PMC1226707. https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC1226707/ 

[3] Handa VL, Roem J, Blomquist JL, Dietz HP, Muñoz A. Pelvic organ prolapse as a function of levator ani avulsion, hiatus size, and strength. Am J Obstet Gynecol. 2019 Jul;221(1):41.e1-41.e7. doi: 10.1016/j.ajog.2019.03.004. Epub 2019 Mar 15. PMID: 30885773;  PMCID: PMC6592735. https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC6592735/ 

[4] Woon Wong, Ka et al.: Obstetric risk factors for levator ani muscle avulsion: A systematic review and meta-analysis. European Journal of Obstetrics and Gynecology and Reproductive Biology, Volume 296, 99 – 106

[5] Albrich, Stefan, Baessler, Kaven, Fink, Thomas: Avulsion nach vaginaler Geburt: Der Levator ist kaum zu ersetzen. Dtsch Arztebl 2024; 121(23): A-1512 / B-1276.

[6] Hilde G, Stær-Jensen J, Siafarikas F, Engh ME, Bø K. Postpartum pelvic floor muscle training, levator ani avulsion and levator hiatus area: a randomized trial. Int Urogynecol J. 2023 Feb;34(2):413-423. doi: 10.1007/s00192-022-05406-z. Epub 2022 Nov 23. PMID: 36418566; PMCID: PMC9870957.

[7] Yeung E, Malacova E, Maher C. Is levator ani avulsion a risk factor for prolapse recurrence? A systematic review and meta-analysis. Int Urogynecol J. 2022 Jul;33(7):1813-1826. doi: 10.1007/s00192-022-05217-2. Epub 2022 May 10. PMID: 35538253; PMCID: PMC9270296.

[8] Handa VL, Roem J, Blomquist JL, Dietz HP, Muñoz A. Pelvic organ prolapse as a function of levator ani avulsion, hiatus size, and strength. Am J Obstet Gynecol. 2019 Jul;221(1):41.e1-41.e7. doi: 10.1016/j.ajog.2019.03.004. Epub 2019 Mar 15. PMID: 30885773; PMCID: PMC6592735.

FAQ:

Was ist eine levator ani avulsion und wie entsteht sie?

Eine levator ani avulsion ist eine ernsthafte Verletzung des Beckenbodens, bei der ein Teil Beckenbodenmuskulatur teilweise oder vollständig abgerissen wird. Sie tritt häufig während vaginaler Geburten auf, insbesondere bei der Anwendung von Hilfsmitteln wie der Saugglocke oder der Zange. Diese Verletzung kann zu langfristigen Problemen wie Inkontinenz und Beckenbodenschmerzen führen.

Wie häufig tritt eine levator ani avulsion auf?

Rate von levator ani avulsion bei vaginalen Geburten zwischen 10% und 20% liegen kann, abhängig von verschiedenen Risikofaktoren, wie z.B. der Anzahl der Geburten und der Verwendung von geburtshilflichen Instrumenten. Diese Verletzungen sind oft unterdiagnostiziert, da sie nicht immer sofort während der Geburt erkannt werden.

Welche Symptome deuten auf eine levator ani avulsion hin?

Zu den häufigsten Symptomen einer levator ani avulsion gehören Inkontinenz, Schwere-/Senkungsgefühl und Schwierigkeiten den Beckenboden zu aktivieren.

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