Was tun bei Organsenkung bei Frauen?

Eine Organsenkung (oder POP, pelvic organ prolaps) bezeichnet das Absinken von Gebärmutter, Blase und/oder Enddarm weg von ihrer natürliche Position nach unten. Die Organe beginnen also, in Richtung Vagina abzusinken. Die Blase sinkt in Richtung vorderer Vaginalwand (=Zystozele), den Enddarm senkt sich in Richtung der hinteren Vagianlwand (Rektozele).

Achtung, wichtiges sprachliches Detail: Im deutschsprachigen Raum sprechen wir von Organsenkung/Deszensus. Ein Deszensus, der über den Vaginaleingang hinausgeht, wird bei uns als Prolaps bezeichnet. Im Englischen wird jegliche Organsenkung als „prolapse“ bezeichnet.

Hier siehst du es bildlich:

Im oberen Teil des Bildes ist die normale Organlage im kleinen Becken dargestellt. Du schaust von der linken Seite auf den Körper.

Unten links wird die sog. Zystozele, das Absinken der Blase dargestellt. Im mittleren Bild siehst du die Gebärmuttersenkung in einem schweren Grad, weil sie schon in Richtung Vaginalausgang gesenkt ist. Rechts im Bild ist die Rektozele, das Absinken des Enddarms, dargestellt.

Viele Frauen sind von einer Organsenkung betroffen, schätzungsweise 50% haben in einem gewissen Maß eine Senkung [1].

Was sind die Symptome einer Organsenkung?

„Woher weiß ich, dass ich eine Senkung habe?“ „Wie fühlt sich das an?“ Solche Fragen bekomme ich immer wieder gestellt, hier will ich sie dir beantworten.

Betroffene Frauen berichten über verschiedenste Beckenbodensymptome. Dies kann ein Fremdkörpergefühl in der Vagina sein, als würde ein Tampon nicht richtig sitzen. Es kann ein Druckgefühl nach unten sein, so als würden dir „deine Organe rausfallen“ (ja, das wurde mir von Betroffenen schon berichtet!). Es könnte auch sein, dass du Schwierigkeiten hast einen Tampon oder eine Mestruationstasse einzuführen.

Eine  Belastungsinkontinenz beim Husten, Niesen oder Hüpfen, plötzlicher Harndrang mit oder ohne Inkontinenz oder Probleme mit der Entleerung von Blase können auftreten. Das liegt am Abknicken der Harnröhre durch die Blasensenkung. Auch Entleerungsstörungen des Darms, Verstopfung oder Schmerzen beim Geschlechtsverkehr können auftreten.

Natürlich hat nicht jede Frau jedes Symptom, es kommt auch ein bisschen auf die Lokalisation an. Bei einer Rektozele geht die Tendenz eher zu Entleerungsstörungen des Darms, während eine Blasensenkung oft mit Blasensymptomen einhergeht.

Interessanterweise scheint es aber keinen direkten Zusammenhang zwischen der Intensität der Beschwerden und dem objektiven Befund zu geben. [2] Das heißt also, dass bei zwei Frauen, die im Ultraschall einen ähnlichen Befund zeigen, ganz unterschiedliche Symptome auftreten können. Oder eine von ihnen zeigt starke Symptome, während die andere keine hat.

Was sind Ursachen für eine Senkung?

Eine Senkung entsteht dann, wenn der Beckenboden und/oder der bindegewebige Halteapparat der Organe geschädigt werden.  Die Risikofaktoren für eine Organsenkung sind:

  • Anzahl der Schwangerschaften
  • vaginale Geburten
  • Defekt des Levator Ani-Muskels des Beckenbodens (=Levatoravulsion)
  • Geburtsgewicht des Kindes
  • Übergewicht
  • das Alter bzw. das Älterwerden der Frau. [3]
  • chronische Verstopfung und damit einhergehendes Pressen auf der Toilette
  • chronischer Husten, chronisches Niesen

Bei der Anzahl der Schwangerschaften ist das Risiko einer Organsenkung statisch gesehen bei zwei und mehr Schwangerschaften höher ist als bei einer oder keiner Schwangerschaft. Die hormonellen Veränderungen, das größer werden der Gebärmutter und das zusätzliche Gewicht haben einen negativen Einfluss auf das Gewebe. Vaginale Geburten im Allgemeinen und dabei aufgetretene Verletzungen des Levator Ani Muskels im speziellen (Blogaritkel zur Anatomie des Beckenbodens) sind Risikofaktoren. Sowohl eine einseitige, als auch eine beidseitige Levatoravulsion ist verglichen mit einem intakten Levator einen Risikofaktor für POP [4]. Vaginale Geburten mit Interventionen, also Saugglocke, Zangengeburt, Kristeller-Griff etc. ebenfalls. Verglichen zur vaginalen Geburt zeigt der Kaiserschnitt/die Kaisergeburt eine statistisch signifakte Reduktion des Risikos für eine Organsenkung. [3]

Wie wird eine Organsenkung behandelt?

Zur Behandlung gibt es verschiedene konservative und operative Möglichkeiten. Im Fokus der Behandlung steht auf jeden Fall die Verbesserung der Lebensqualität der Frau. Konservative Behandlungsmöglichkeiten umfassen unter anderem physiotherapeutische Maßnahmen wie Beckenbodentraining oder Elektrostimulation, Pessarversorgung und Anpassung des Alltagsverhaltens.
Operative Eingriffe können auch in Betracht gezogen werden, wenn konservative Maßnahmen nicht ausreichen.
Es ist wichtig, dass die Behandlung individuell auf die Bedürfnisse und Wünsche der Patientin abgestimmt wird. Die Wahl der Therapie sollte in enger Absprache mit einem Arzt oder einer Ärztin getroffen werden, um die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen und die Lebensqualität der betroffenen Frau zu verbessern.

Konservative Methoden

Es gibt viele Möglichkeiten, einen POP konservativ zu behandeln. Ich möchte sie dir hier etwas näher vorstellen. Diese sind:

  • Verringerung von Risikofaktoren
  • Anpassung des Alltagsverhaltens
  • individuelles Beckenbodentraining
  • das Tragen eines geeigneten Pessars

Verringerung von Risikofaktoren

Die Risikofaktoren habe ich dir weiter oben schon ausführlicher erklärt. Einige dieser Risikofaktoren, wie bspw. das Übergewicht können wir selbst positiv beeinflussen. Andere nur in gewisser Art und Weise, wie bspw. die Anzahl der Geburten oder auch den „Geburtsmodus“. Aber wir können schon während einer Schwangerschaft unseren Beckenboden angepasst trainieren, um ihn bestmöglich auf die Geburt vorzubereiten. Also Sätze wie „in der Schwangerschaft darfst du deinen Beckenboden nicht trainieren“ kannst du getrost vergessen. Dazu in einem späteren Blogatikel mehr.

Anpassung des Alltagsverhaltens

Es gibt im Alltag einige Dinge, die wir „beckenbodenfreundlich“ erledigen können, um die Wahrscheinlichkeit für eine Organsenkung zu verringern. Ganz oben auf meiner Liste steht da das richtige Toilettenverhalten. Das heißt grundsätzlich: Zeit lassen, hinsetzen, entspannen. 🙂

Fürs Wasserlassen setzt du dich am besten aufrecht hin, entspannst dich und lässt das Pipi einfach raus laufen. Du musst nicht drücken, der Blasenmuskel sollte das von alleine schaffen. Und jaaa, auch auf öffentlichen Toiletten solltest du dich am besten hinsetzen. Es gibt Einmal-Klobrillenauflagen, die du nutzen kannst, damit es hygienischer ist.

Für den Stuhlgang solltest du dich mit rundem unteren Rücken auf die Toilette setzen, ganz nach dem Motto „Po ins Klo“. Am besten stellst du dir noch einen kleinen Hocker unter die Füße. Du solltest auf keinen Fall pressen auf der Toilette, das mögen dein Beckenboden und die Organe nicht gerne. Wenn du das Gefühl hast, nachhelfen zu müssen, versuche es mit einer langen Ausatmung oder einem tiefen tönenden „aaaaaah“. Aber nicht pressen. Solltest du unter chronischer Verstopfung leiden, ist es wichtig, über die Ernährung oder ggf. Medikamente die Stuhlkonsistenz zu regulieren.

Außerdem kannst du beim Heben schwerer Lasten deinen Beckenboden bewusst mitnehmen. So vermeidest du unnötigen Druck nach unten.

A propos Druck nach unten. Gehörst du auch zu den Personen, die ständig ihren Bauch einziehen? Auch das mögen dein Beckenboden und die Organe des kleinen Beckens nicht. Dann herrscht nämlich dauerhaft erhöhter Druck im Bauchraum, der dann nach unten geht. Besser: Bauch loslassen, bewusst über die Atmung den Bauch auch entspannen. Dein Bauch DARF sich nach außen wölben mit der Einatmung. Dein Bauch DARF sein wie er ist.

Gerade bei chronischem Husten und Niesen ist es auch wichtig, beckenbodenfreundlich zu husten/niesen. Dadurch kannst du den Druck auf dein Gewebe verringern. Mein Praxistipp: Huste/niese in deine Ellenbeuge, die du nach oben hebst. Das ist seit Corona ja auch gesellschaftlich anerkannt. 😉 Es führt dazu, dass du aufrechter bleibst. Manche empfehlen auch noch, sich etwas über die Ellenbeuge zur Seite zu drehen. Probiere aus, was da für dich angenehmer ist.

Individuelles Beckenbodentraining

Beckenbodentraining (BBT) ist das mittel der Wahl zur konservativen Therapie bei Organsenkungen. Es gibt einige Studien, die zeigen, dass BBT vor allem bei kleineren Stadien (Staudium 1 und 2) die Symptome und Belastungsinkontinenz reduzieren kann [5], [6].

Ich möchte nochmal das „individuell“ betonen. Zunächst ist es wichtig, dass die Betroffene lernt, ihren Beckenboden richtig zu aktivieren, d.h. vor allem, ihn nach innen oben zu ziehen, statt ihn nach außen unten zu drücken. Das kann z.B. eine spezialisierte Beckenboden-Physiotherapeutin durch tasten feststellen. Und dann ist es eben wichtig, spezifisch und gezielt zu trainieren und zu kräftigen. Gezielt, weil doch jede Frau an anderen Stellen Probleme haben kann. Da komme ich mit meinem Personal Training dann oft ins Spiel. Die Betroffene kennt ihre Schwachstelle oder lernt sie mit mir kennen und wir arbeiten daran, ihre Beckenbodenfunktion insgesamt zu verbessern. Also nicht nur die reine Kraft, sondern eben auch das reflektorische Gegenhalten, die Entspannung usw.

Wenn du mit deinem Beckenboden nicht ganz im Reinen bist, Symptome wiedererkennst und deine Beschwerden endlich angehen willst, melde dich über den Button bei mir. Ich freue mich von dir zu hören.

Pessartherapie

Ein Pessar war lange verschriehen, dass es nur für ältere Frauen sei. Dem ist aber nicht so. Das Pessar ist quasi „der Sport-BH für deine Organe“. Es stützt im Zusammenspiel mit deiner Beckenbodenmuskulatur deine Organe. Pessare können in vielen Fällen die mit der Senkung verbundere Belastungsinkontinenz, die Probleme mit der Darmentleerung, die Sexualfunkion und die Körperwahrnehmung verbessern [5].

Es gibt die verschiedensten Arten von Pessaren: Bügelpessare, Würfel-, Schalen-, Siebpessare und noch einige mehr. So kann für quasi jede Frau das passende Pessar gefunden werden. Es gibt viele Frauenärzt*innen, die diese verordnen können. Mein Tipp: spezialisierte Physiotherapeutinnen, die die physio pelvica Ausbildung gemacht haben, haben oft zur Beratung verschiedene Anpass-Sets da und können Pessare anpassen. Du findest sie in der Therapeutenliste nach PLZ sortiert.

Ganzheitliche Therapie der Organsenkung bei Frauen

Was verstehe ich persönlich unter ganzheitlicher Therapie? Für mich bedeutet das, der Betroffenen alle Möglichkeiten aufzuzeigen, die sie zur Behandlung hat. D.h. in meinem Personal Training Konzept trainiere ich nicht einfach nur mit den Frauen. Ich ergänze das Training immer mit nützlichen Tipps im Bezug auf Alltagsverhalten usw. Die Frauen erfahren, an welche Fachperson in der Nähe sie sich wenden können, um sich ggf. ein Pessar anpassen zu lassen. So können wir gemeinsam dafür sorgen, die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern und Symptome zu verringern. Mit den folgenden Grafiken zeige ich dir, warum Pessartragen und Training Hand in Hand gehen.

Hier siehst du bildlich wie in einem Trockendock: dein Becken mit Beckenboden (blau), den Organen (das Schiff) und die Haltebändern (rosa). Dies ist der „Normalzustand“, die Bänder sind straff, der Beckenboden kräftig und die Organe dort, wo sie sein sollen.

Hier siehst du den Zustand der Organsenkung. Die Bänder sind verlängert, also nicht mehr so straff, der Beckenboden geschwächt und die Organe haben sich abgesenkt.

Hier siehst du, was Beckenbodentraining und das Tragen eines Pessars mit dem Schiff, alias deinen Organen, macht. Das Pessar stützt die Organe ab, sodass sie wieder annähernd in ihrer ursprünglichen Position sind. Gleichzeitiges Beckenbodentraining stützt zusätzlich und hilft, die mit der Senkung auftretenden Symptome zu verringern.

Operative Theapiemethoden

Es gibt verschiedene Operationsmethoden, die genutzt werden können, wenn die konservative Therapie nicht den gewünschten Erfolg bringt. Einige Methoden arbeiten durch die Vagina, andere über einen Bauchschnitt . Bei manchen Operationen wird körpereigenes Material verwendet, um die faszialien Haltestrukturen zu straffen. Es gibt aber auch OPs, bei denen Netze in den Körper implantiert werden, die die Organe wieder an ihrem Platz fixieren sollen. Für genaue Informationen und Aufklärung sind die Fachärzt*innen die richtigen Ansprechpersonen.

Noch kurz ein Wort zur Operation bei Levatoravulsion. Mehrere meiner Klientinnen mit einem Abriss des Levatormuskels fragten, ob man diesen Defekt nicht operieren können. Aktuell gibt es dafür leider keine OP-Methoden. Für Betroffene bleibt also die Versorgung mit einem passenden Pessar sowie Beckenbodentraining, um die bestehende Symptomatik soweit wie möglich in den Griff zu bekommen.

Welche Rolle spielt das Beckenbodentraining bei der Therapie von Organsenkung/POP?

Beim Management von POP spielt das Beckenbodentraining eine zentrale Rolle in der konservativen Therapie der Gebärmuttersenkung, Blasensenkung und Rektozele. Die Vorteile liegen klar auf der Hand. Es ist nicht invasiv, effektiv und hat, richtig dosiert und ausgeführt, keine Nebenwirkungen. 🙂

Welche Übungen sind sinnvoll, um eine Organsenkung zu verbessern?

Wie immer gibt es nicht DIE EINE Beckenboden-Übung, die die beste für alles ist. Die Mischung auf Basis der individuellen Voraussetzungen der Frau macht’s.  Die Basis ist wieder die Wahrnehmungsschulung, damit die Frau lernt, den Beckenboden richtig anzuspannen. Ein Training in Umkehrpositionen kann zu Beginn hilfreich sein, um den Beckenboden zu entlasten. Diese Positionen können auch über den Tag zur Entlastung genutzt werden, wenn wieder vermehrt Symptome auftreten. Selbstverständlich wird die Belastung über die Zeit gesteigert, damit die Betroffene ihren Alltag gut bewältigen kann.

Wo finden Betroffene spezialisierte Hilfe und Unterstützung bei Organsenkung?

Meist ist der/die behandelnde Gynäkolog*in die erste Ansprechperson für Betroffene. Er/sie kann die die Lage der Organe beurteilen, Physiotherapie und ein Pessar verordnen. Die Erfahrung meiner Klientiennen zeigt aber, dass nicht jede*r Gyn sich eingehend mit diesem Thema beschäftigt hat und adäquate Unterstützung anbietet. Deshalb kann es sinnvoll sein, sich bei einer spezialisierten Physiotherapeutin Unterstützung zu holen. Die Therapeutenliste habe ich dir bereits weiter oben verlinkt.

Außerdem unterstützen spezialisierte Trainerinnen wie ich darin, ein passendes Trainingskonzept zu erarbeiten und durchzuführen. Ich kann dich bei der konservativen Behandlung ebenso wie OP-vor- und nachbereitend begleiten, um dir deine Lebensqualität wieder zurück zu bringen. Melde dich, wenn du  Unterstützung brauchst.

Quellen:

[1] Hagen, Stark: Conservative prevention and management of pelvic organ prolapse in women. Cochrane Database Syst Rev. 2011 Dec 7;(12).

[2] Weintraub et al.: Narrative review of the epidemiology, diagnosis and pathophysiology of pelvic organ prolapse. Int Braz J Urol. 2020 Jan-Feb;46(1):5-14.

[3] Schulten et al.: Risk factors for primary pelvic organ prolapse and prolapse recurrence: an updated systematic review and meta-analysis. Am J Obstet Gynecol. 2022 Aug;227(2):192-208. doi: 10.1016/j.ajog.2022.04.046. Epub 2022 Apr 30.

[4] Vergeldt TF, Weemhoff M, IntHout J, Kluivers KB. Risk factors for pelvic organ prolapse and its recurrence: a systematic review. Int Urogynecol J. 2015 Nov;26(11):1559-73. doi: 10.1007/s00192-015-2695-8. Epub 2015 May 13. PMID: 25966804; PMCID: PMC4611001.

[5] Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. (DGGG): S2e-Leitlinie Weiblicher Descensus genitalis, Diagnostik und Therapie.

[6] Espiño-Albela A, Castaño-García C, Díaz-Mohedo E, Ibáñez-Vera AJ. Effects of Pelvic-Floor Muscle Training in Patients with Pelvic Organ Prolapse Approached with Surgery vs. Conservative Treatment: A Systematic Review. J Pers Med. 2022 May 17;12(5):806. doi: 10.3390/jpm12050806. PMID: 35629228; PMCID: PMC9142907.